Zimmerer Hilfen.

 

Das Gag-Nail System. Ein modernes Verbindungselement.

Autor(en): F. Stein & S. Müller.

Im Laufe der Jahrhunderte haben die Zimmerer viele Holzverbindungen ersonnen. Diese werden besonders im Restaurationsbereich noch heute eingesetzt. Aus statischen Gründen, aber auch um Zeit und damit Geld zu sparen, werden im Holzbau heute moderne Verbindungselemente eingesetzt, so z.B. das hier beschriebene Gang-Nail-System.

I. Das Problem.

Ein gemauerter Erker an der Giebelseite eines Hauses mit Satteldach soll überdacht werden. Da sich die Ausmaße der Erkerüberdachung in Grenzen halten (L x B x H = 359 cm x 95 cm x 65,5 cm), soll das Dach bereits fertig montiert zur Baustelle geliefert werden.

II. Zur Bauweise.


Abbildung 1. »Geplantes Satteldach«.

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Um eine aufwendige Bauweise zu vermeiden, wurden die einzelnen Komponenten des Daches in Nagelplattenbauweise (Gang-Nail) erstellt. Dabei werden Sparren, Grate und Schifter mit Untergurten und Stielen versehen. Aufgepresste Nagelplatten sorgen für eine kraftschlüssige Verbindung zwischen den stumpf gestoßenen Bauteilen. Die so entstandenen Binder werden auf einen Schwellenkranz aufgesetzt und mit diesen vernagelt. Die Auflagerhölzer der Untergurte und der Firstklauen werden ebenfalls montagefertig mit den Bindern vernagelt. Das fertige Dach kann nun ohne weitere Vorarbeiten auf den Erker aufgesetzt, ausgerichtet und verankert werden.

III. Austragung und Abbund.

Durch die um 135" ablaufende Trauflinie und den drei daraus resultierenden unterschiedlichen Grundlängen von Grat, Sparren und Wandschifter ergeben sich drei verschiedene Profile. Da das Dach fertig montiert werden soll, wurde der komplette Dachgrund im Maßstab 1:1 aufgeschnürt. Der Vorteil dieser konventionellen Methode besteht in diesem Fall darin, dass die Schwellen- und Untergurtlängen durch Zulegen der jeweiligen Hölzer ermittelt werden können. Darüber hinaus dient der Aufriss als Schablone für die Montage des Daches.

Um die Wahren Längen möglichst schnell und genau zu ermitteln, wurde zunächst die Trauflinie - und parallel dazu - die Firsthöhe aufgeschnürt. Nun wurde eine Senkrechte durch beide Linien geschnürt, welche im Schnittpunkt mit der Firstlinie den Anfallspunkt für Sparren als auch für Grat und Wandschifter darstellt. Um die Höhe des Auflagers für die Firstklauen zu ermitteln, wurde als erstes das Sparrenprofil ausgetragen und mit Hilfe des rechtwinkligen Obholzes von 7 cm die Oberkante des Firstauflagers bestimmt. Da Sparren, Grate und Wandschifter die gleiche Firstauflagerhöhe besitzen, wurde parallel zur Firstlinie die aus dem Sparrenprofil resultierende Auflagerhöhe hingeschnürt. Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit wurde auf einer Seite der senkrechten Anfallslinie das Sparren- und Gratprofil, auf der anderen Seite das Wandschifterprofil ausgetragen.

Zur Ermittlung der Wahren Längen von Grat und Wandschifter wurden die jeweiligen Grundlängen, Urlote und Verstiche aus dem Dachgrund mit Hilfe einer Leiste in das jeweilige Profil übertragen. Dabei ist zu beachten, dass aus dem Grund entnommene Maße ausschließlich in der Waagerechten des Profils angetragen werden dürfen. Die Verbindung zwischen Firstpunkt sowie dem Urlot U1 (bzw. S1) ergibt nun die Wahre Länge und Neigung des Grates bzw. des Wandschifters. Durch Anlegen von Hölzern an die ermittelten Wahren Längen wurden nun Urlote, Verstiche und Waagerisse auf das Holz übertragen. Abschnitte und Klauen ergeben sich durch den Schnittverlauf im Dachgrund bzw. des Waagerisses aus dem Profil.

Die notwendige Abgratung von Grat und Wandschifter ergibt sich, indem das Verstichmaß V1 (Traufpunkt - Trauflinie) in Waage an den Grat bzw. Wandschifter angetragen wurde. Bei der Ermittlung der Wahren Länge des Wandschifters ist zu beachten, dass sich dieser an den Grat anschmiegt und somit nicht im gemeinsamen Anfallspunkt ausläuft. Somit begrenzt also das Urlot S3 die Länge des Wandschifters.

IV. Was genau ist Gang-Nail?

Gang-Nail ist ein Holzverbindungssystem, welches stumpf aneinander gefügte Holzbauteile kraftschlüssig miteinander verbindet. Dazu werden Nagelplatten verschiedenster Größen an genau errechneten Punkten beidseitig in die zu verbindenden Hölzer eingepresst. Seine größte Verbreitung besitzt das Gang-Nail Verfahren im Binderbau und in der Tafel- und Rahmenbauweise. Aber auch verschiedene andere Anwendungsgebiete lassen sich durch die einfache und schnelle Verbindung von Hölzern durch Nagelplatten erschließen: Am Beispiel der beschriebenen Erkerüberdachung soll dieses etwas andere Verfahren vorgestellt werden.

V. Die Gang-Nail Verbindung.


Abbildung 2. »Die Nagelplatte«.

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Bei der Verwendung des GN 20A - Nagelplattensystems sind folgende Grundbedingungen zu beachten: Die Spannweite von Bauteilen darf nicht mehr als 20 Meter betragen. Auflagerungen am Obergurt sind unzulässig. Die Holzdicke muss mindestens 35 mm, bei Spannweiten über 12 Meter mind. 50 mm betragen. Die zu verbindenden Hölzer müssen bei Dreiecks- und Fachwerkbindern mindestens 70 mm hoch sein. Um Transportbeschädigungen, z.B. beim Absetzen der Binder zu vermeiden, muß jeder Verbindungspunkt (auch der eines Nullstabes) für eine bestimmte Mindestzugkraft (Tabellenwert) bemessen sein. Weiterhin sind die Teile gebündelt und mit größter Sorgfalt zu transportieren. Wie die Bestimmungen für den richtigen Einsatz von Nagelplattensystemen zeigen, hängt die Haltbarkeit der Verbindung, einwandfreie Holzqualität und -stärke vorausgesetzt, vor allem von der Plattengröße und deren Anordnung ab. Die Berechnung hierfür kann auf herkömmliche Weise oder aber mit Hilfe der vom Systemanbieter angebotenen Statikprogramme geschehen. Wie wichtig die richtige Plattenanordnung ist, soll der nachfolgend beschriebene Versuch verdeutlichen.

VI. Die richtige Plattenanordnung.

An der Berufsschule wurde ein Dreieckbinder von 70 cm Auflagerabstand und 35cm Firsthöhe unter einer umgerüsteten Betonprobenpresse bis zum Bruch belastet. Dabei wurde ein Obergurt-Untergurt Anschluß bewusst in zwei Varianten ausgeführt. Bereits bei einer geringen Druckbelastung begann sich die Nagelplatte links im Bild zu wellen und von selbst aus dem Holz zu ziehen. Obwohl im Gegensatz zur korrekt positionierten Platte alle Nägel in das Holz eingepreßt waren, war die Druckbelastbarkeit um ein Vielfaches geringer.

Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass die Nagelplatte selbst Kräfte aufnimmt und somit die Verbindung aussteift. Durch die Anordnung der Stäbe in diesem System (große horizontale Schubkraft aus der Strebe) mußte die Platte selbst große Druckkräfte aufnehmen. Die Platte auf der rechten Binderseite war vorwiegend durch Zugkräfte beansprucht. Weiterhin nimmt der nicht mit dem Holz verbundene Plattenteil einen höheren Anteil an Druckkraft auf, als der eingepresste Plattenteil.


Abbildung 3. »Anordnung der Stäbe«.

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Da die Anzahl der eingepressten Nägel jedoch die Größe der zu übertragenden Kraft bestimmt und ein Ausreißen und Abscheren des Holzes verhindert, ist das richtige Verhältnis durch die Größe der Platte und deren Positionierung zu bestimmen. So gibt es für jeden Kraftfall (Zug, Druck, Biegung) eine andere Anordnung der Nagelplatten, welche - wie erwähnt - mit Hilfe spezieller Statikprogramme bestimmt und berechnet werden kann.

VII. Belastung, Größe und Lage der Platten.

Nachdem das Computerprogramm anhand der gegebenen Gebäudemaße (Dachneigung, Auflager, etc.) und der vorhandenen Belastungen die Form und Holzstärken des Binders berechnet hat, besteht nun die Möglichkeit, die errechnete Binderform den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. Nachdem die Lage der Stäbe im Bindersystem bestimmt ist, beginnt das Programm anhand der vorhandenen Belastungen die Größe und Lage der Nagelplatten zu berechnen.


Abbildung 4. »Abfangbinder.«.

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Da die Belastung des kleinen Erkerdaches in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Stabilität der verwendeten Gang-Nail-Verbindung steht (siehe Versuch), ist eine Berechnung der Dachbelastung erfahrungsgemäß nicht notwendig.

Der nebenan in Abbildung 4 dargestellte Abfangbinder soll veranschaulichen, wie mit Hilfe eines Berechnungsprogrammes sowohl die Belastung der Verbindungspunkte als auch der Zuschnitt der einzelnen Gurte und Stäbe berechnet und dargestellt wird.


Abbildung 5. »Knotenpunkte..«.

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So wie in den beiden Bildern von Abbildung 5 zu sehen, erstellt das Programm eine Detailauflistung aller Knotenpunkte des Binders. In den Detailzeichnungen sind die Lage und die Größe [GN14 114 x 333 (mm)] der einzelnen Nagelplatten genau dargestellt.

Da Binder meist in Serie oder großer Stückzahl gefertigt werden (große Gebäude, Serienhäuser, etc.), empfiehlt sich der serienmäßige Zuschnitt der einzelnen Binderkomponenten. Um dieses zu vereinfachen, erstellt das Berechnungsprogramm für jeden Stab eine Zuschnittliste wie im Beispiel unten. Unter Berücksichtigung dieser Maße wird der Arbeitstisch, auf welchem die Binder gepreßt werden, eingerichtet.

VIII. Die Fertigung von Gang-Nail-Bindern.


Abbildung 6. »Ein Füllstab.«.

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Wie bereits erwähnt, basiert das Gang-Nail System auf der Verbindung stumpf gestoßener Hölzer durch eingepresste Nagelplatten. Anhand der nachfolgenden Zeichnung werden auf einem ca. 20 Meter langen Tisch die Knotenpunkte des Binders mit Hilfe von Schiebern fixiert. Die Lage der Nagelplatten wird durch Tesaband gekennzeichnet. Nachdem der Tisch eingerichtet wurde, werden die unteren Nagelplatten auf die gekennzeichneten Stellen gelegt. Anschließend werden die abgelängten Hölzer zwischen den am Tisch angebrachten Schieber aufgelegt. Nachdem die oberen Nagelplatten auf die Knotenpunkte aufgesetzt wurden, wird der Tisch durch eine Presse gefahren, welche die Nagelplatten in das Holz einpresst.

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