Zimmerer Hilfen.

 

Ein Gang-Nail-Problem im Versuch. Fertigungstechniken auf der Probe.

Autor(en): Sebastian Vogel.

Treffen zwei unterschiedliche Meinungen aufeinander, so kann man endlos darüber diskutieren, per Losentscheid für Klarheit sorgen, einen Schiedsrichter bemühen oder Fakten sprechen lassen. Dieser Bericht schildert die Lösung eines fertigungstechnischen Gang-Nail-Problems mit Hilfe eines gelungenen Versuchs.

I. Das Problem.

Der Ursprung dieses Versuchs lag im Streit zwischen unseren Meistern auf den Baustellen und den Zimmerern am Presstisch zur Herstellung unserer Gang-Nail-Binder. Die Hölzer für diese Binder werden stumpf gestoßen auf Fertigungstischen zusammengelegt; anschließend werden die Nagelplatten exakt nach Fertigungsplänen aufgelegt und durch eine Presse in das Holz gedrückt. Damit die Platten nicht verrutschen, fixieren die Zimmerer am Presstisch diese mit mehreren Hammerschlägen auf die Ecken. Die Meister hingegen meinen, dass dadurch die Tragfähigkeit der Platten geschwächt wird, da die Ecken von der Presse weiter schief eingedrückt würden und dadurch Nägel abbrechen oder zumindest unzulässig schräg in das Holz eindringen. Sie fordern deshalb, dass die Platten zur Lagesicherung mit kleinen Heftnägeln an den Ecken fixiert werden. Da wir aber im Laufe eines Jahres tonnenweise Nagelplatten für Gang-Nail-Binder verarbeiten, würde diese Fertigungsumstellung einen erheblichen Mehraufwand vor allem an Arbeitszeit und Kosten bedeuten.

Um den Streit endlich einmal mit Fakten und Sachargumenten zu beenden, habe ich in der Schule beim Thema Binder vorgeschlagen, dazu einen Versuch zu machen. Der Vorschlag wurde begeistert aufgenommen und wir fingen gleich an, uns eine Versuchsanordnung zu überlegen.

II. Die Versuchsplanung.


Abbildung 1. »Planung der Versuche«.

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M1: Zweiteilige Kantholzanordnung mit jeweils einer Nagelplatte auf der Vorder- und Rückseite. Nachteil: Der asymmetrische Aufbau ließ sich schlecht unter die Prüfpresse (eine umgerüstete Biegezugpresse für Betonversuche) stellen. Es entstehen bei Belastung zusätzliche Drehmomente.

M2: Dreiteilige Kantholzanordnung mit jeweils einer Nagelplatte auf der Vorder- und Rückseite.

M3: Dreiteilige Kantholzanordnung mit jeweils zwei Nagelplatten auf der Vorder- und Rückseite.

Entschieden haben wir uns dann für die Methode 2, da sie erstens logisch und nachvollziehbar war und zweitens gut und ohne zusätzliche Sicherung unter dem Stempel der Presse aufgestellt werden konnte. Einige Dinge waren allerdings zu beachten:

  1. Da die Presse nur eine Höhe von 42 cm zuließ, durfte auch die Gesamtlänge nicht über dieses Maß gehen. Schließlich sollte sich das mittlere Holz ja bis zur vollständigen Trennung verschieben können.
  2. Wir mussten die Platten und Hölzer bei dieser Versuchsanordnung durch Drittelung so aufeinander abstimmen, dass sowohl bei dem Mittelholz als auch bei der Summe der Seitenhölzer die gleiche Anzahl Nägel im Holz saß.
  3. Bei der Wahl des Holzes war darauf zu achten, dass alle Versuche aus einem Kantholz 6/8 cm kommen und wenig Äste oder Risse aufweisen. So sollten materialbedingte Versuchsfehler möglichst klein gehalten werden.
  4. Desweiteren gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, die Platten auf das Holz zu pressen, indem die Nägel einmal quer und einmal hochkant angeordnet werden können. Das heißt, dass es zwei Serien mit jeweils Nagelfixierung und Eckfixierung gab.

Unter diesen Voraussetzungen fertigte ich nun im Betrieb die vier Versuchsteile an.

III. Die Versuchsdurchführung.


Abbildung 2. »Der Versuchsaufbau«.

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Wir haben die links und unten abgebildeten Versuchsanordnungen mit maximal 10 Tonnen belasten können. Wichtigstes Kriterium war dabei für uns die Unverschieblichkeit der Verbindung. Sobald eine Verbindung nachgibt, ist sie bereits nicht mehr voll tauglich. Aus diesem Grund haben wir Waagerisse quer über die Hölzer gezogen und jeweils den Wert abgelesen, bei dem sich die Markierungen um eine Strichstärke gegeneinander verschoben hatten. Trotzdem haben wir die Versuche noch bis zum endgültigen Bruch weitergefahren und auch die Bruchlast notiert.

IV. Die Auswertung.

Messwerte.
Versuch. Verschiebung. Bruchlast.
II V 1: 2,5 t 3,5 t
II V 2: 2,5 t 4,4 t:
= V 3: 3,0 t 5,3 t
= V 4: 3,1 t 5,4 t

Bei jeweils der ersten Messzahl hatten sich die Hölzer um eine Strichstärke verschoben. Dieses war für uns sogleich die Brauchbarkeitsgrenze. Die 2. Ablese bedeutet die maximale Druckaufnahme, also die Bruchgrenze. Von da an setzte die Verbindung der Presse keinen messbaren Widerstand entgegen.

Vergleicht man die Werte untereinander, so fällt auf, dass bei V1 und V2 »II« (Nägel in Faserrichtung!) die Werte für die Verschiebung mit Eck- und Nagel-Fixierung gleich sind. Bei der Bruchlast jedoch ergab sich eine deutliche Differenz. Das lag daran, dass das Mittelholz ausgewichen ist und das Blech dadurch abhob.

Bei den beiden Versuchen V3 und V4 »=« (Nägel quer zur Faserrichtung!) wurden ebenfalls (annähernd) gleiche Verschiebewerte erreicht. Man sieht hier, dass normalerweise auch die Bruchlast gleich ist.

V. Das Ergebnis.


Abbildung 3. »Das Ergebnis«.

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Nach diesen Versuchen hat es also keinerlei Auswirkungen auf die Haltbarkeit der Verbindung, ob sie nagelfixiert oder eckfixiert ist. Unsere Fertigung kann somit beruhigt weiterarbeiten wie bisher.

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