Zimmerer Hilfen.

 

Spreng- und Hängewerke. Ein Göpelschauer - was ist das eigentlich?

Autor(en): Mareike Schaal.

Wer von Euch erkennt und bestimmt eindeutig ein Sprengwerk, ein Hängewerk?

I. Frage: Ein Göpelschauer - was ist das eigentlich?


Abbildung 1. »Ein alter Göpelschauer«.


Auf der Hinweistafel vor einem historischen Gebäude im Museumsdorf Kiekeberg, eben diesem hier behandelten »Göpelschauer«, fanden wir die Bezeichnung Hängewerk.

Als fachkundige und kritische Besucher sahen wir uns diese ohnehin außergewöhnliche und schon deshalb interessante Konstruktion genauer an. Dabei kamen uns Zweifel, ob das denn auch richtig erkannt worden ist. Wie seht ihr das?

Göpel sind gußeiserne Getriebe, die, z. B. von Pferden angetrieben, um 1870/'80 als Antrieb von Dreschmaschinen, Häckselmaschinen usw. genutzt wurden. Zum Schutz des Pferdetreibers und der Pferde wurde oft eine Überdachung erbaut, der besagte Göpelschauer. Der Göpel selbst stand mittig unter diesem Schauer, der Arbeitsablauf erforderte somit einen stützenlosen Raum von 9-10 Meter Durchmesser.

Das flachgeneigte sechseckige Gebäude war mit Teerpappe gedeckt, typisch also für das ausgehende 19. Jahrhundert. Mit der Entstehung und Verbreitung der Gaskokereien fiel Teer als Abfallprodukt an und war gerade für flach geneigte Dächer geeignet, die nicht mit Ziegeln oder Reet gedeckt werden konnten.

Für die freitragende Dachkonstruktion musste der Zimmerer eine ingenieurmäßige (Binder-)Konstruktion einbauen. Durch eine mittig eingebaute Hängesäulenkonstruktion mit Dreiecksverbindungen konnte dieser Göpelschauer freitragend aufgebaut werden. Wir stellen hier in Verbindung mit der Konstruktion dieses Göpelschauers einige fachliche Fragen.

Zur Erinnerung - eine fachkundliche Auffrischung.


Abbildung 2. »Der Einfeld-Balken«.

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1. Der Balken auf zwei Stützen.

Hänge- und Sprengwerke sind seit alters her unverzichtbare Bestandteile der Zimmermanns-Baukunst. Es geht im Wesentlichen darum, größere Stützweiten über Öffnungen zu überbrücken. Wir betrachten als Beispiel in Abbildung 2 den einfachsten Fall und wählen eine bekannte Situation, eine kleine Fußgängerbrücke. Ein Balken auf zwei Auflagern biegt sich unter der Last F durch. Diese Durchbiegung kann bautechnisch nur in geringem Maße toleriert werden. Wird die Durchbiegung unzulässig groß und kann situationsbedingt keine weitere Stütze unter den Balken gestellt werden, benötigt man zusätzliche oder andere Konstruktionen wie beispielsweise die Spreng- und Hängewerke.

Für den Dachbau gilt: Reine Spreng- oder Hängewerksdächer gelten als veraltet. Sie wurden durch wirtschaftlichere Bindersysteme abgelöst. Allerdings lassen sich z. B. Fachwerkbinder auch als Summe von mehreren Spreng- und Hängewerken beschreiben. Der Zimmerer wird aber weiterhin (z.B. bei Sanierungsarbeiten) mit den historischen Konstruktionen in Berührung kommen.


Abbildung 3. »Einfaches Sprengwerk«.

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2. Das Sprengwerk.

Bei einem Sprengwerk werden die Lasten über die (Spreng-)Streben abgetragen. Dabei ist es wesentlich, dass die Last über der abstützenden Konstruktion liegt und ausschließlich über die Stützkonstruktion abgefangen wird. Wird der Balken nur an einer Stelle unterstützt, spricht man von einem einfachen Sprengwerk. Wird er hingegen an zwei Stellen unterstützt, ist es ein »doppeltes Sprengwerk«. Die beiden Sprengstreben werden dann zur Aufnahme der Horizontalkräfte durch einen Spannriegel gegeneinander abgestützt. In diesem Falle bleibt also der Raum oberhalb des Brückenträgers vollkommen frei von baulichen Maßnahmen.

Bildet man ein Pfettendach als Sprengwerk aus, werden die Sprengstreben gerne an eine Hängesäule angeschlossen. Diese Hängesäule schließt am Fuß mit einem Schwebezapfen (2 bis 3 cm Luft) ab. Sie überträgt keinerlei Kräfte unterhalb des Anschlusspunktes, sie soll lediglich den konstruktiv sauberen Anschluss der Streben garantieren.


Abbildung 4. »Einfaches Hängewerk«.

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3. Das Hängewerk.

Bei einem Hängewerk werden die Lasten ebenfalls über Streben abgetragen. Allerdings ist es hier wesentlich, dass die Last unter der abstützenden Konstruktion liegt und an einer Hängesäule aufgehängt wird. Das bedeutet, dass in der Hängesäule eine Zugkraft wirkt. In unserem Brückenbeispiel ist also der Raum unterhalb des Brückenträgers weitgehend frei von Bauteilen. Je nach Situation und gewünschtem Effekt wählt man demzufolge ein Sprengwerk oder ein Hängewerk.

Im Falle des Göpelschauers soll erklärtermaßen der Innenraum genutzt werden und möglichst frei bleiben. Insofern wäre ein Hängewerk sicher angebracht. Warum wohl sind wir trotzdem definitiv der Meinung, es handelt sich hier eindeutig um ein Sprengwerk?


Abbildung 5. »Der Göpelschauer«.

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4. Der Göpelschauer.

Der Göpelschauer ist aufgebaut wie ein Regenschirm. Die Sparren sind an der Traufe auf ein umlaufendes Rähm aufgelagert. Am First sind sie über eine Zapfenverbindung an einen Stiel angeschlossen. Einen solchen Stiel nennt man bekanntermaßen »Kaiserstiel«. Das besondere daran ist, dass der Stiel nicht bis zu seinem Auflager durchläuft, sondern in der Luft hängt, also ein Hängestiel. Dieser Stiel überträgt keine nennenswerten Kräfte, er dient lediglich als konstruktives Anschlußholz für die Sparren. Er ist also keinesfalls eine Hängesäule im Sinne des Hängewerks! Wir folgern also: Der Stiel ist unbelastet (ein reines Konstruktionsholz), die Last aus Eigengewicht, Dachdeckung, Mannlast, Schnee und Wind liegt eindeutig über der Stützkonstruktion (den Sparren!) und folglich handelt es sich um ein klassisches Sprengwerk, also eigentlich sogar um ein Sparrendach mit etwas andersgearteten Gespärren. Ist es evtl. sogar vergleichbar mit einem Kehlbalkendach?


Abbildung 6. »Göpelschauer - Hängesäule«.

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Wie bei einem Regenschirm werden die Sparren zusätzlich durch Streben abgestützt. Diese Streben sorgen aber auch dafür, dass der Hängestiel nicht ausweichen kann. Bei ähnlichen Konstruktionen wählt man für diesen Zweck gerne einen Schwebezapfen. Zusammen mit den zugehörigen Sparren und dem Stiel werden hier unverschiebliche Dreiecke gebildet.

Hier schieben wir eine weitere Frage ein, deren Lösung wir auch zunächst nicht verraten: Werden die Streben auf Druck beansprucht, sind es also vom Prinzip her abgeknickte, zweiteilige »Kehlbalken«, oder müssen sie Zugkräfte aufnehmen?

Ausblick: Demnächst berichten wir über die Gesellenprüfung 2000. Dort wurde ein kleiner Glockenturm als Hängewerks-Konstruktion konstruiert und gebaut.

II. Antwort von Axel Zierd.

Hi Mareike,
also da hast du aber eine sehr schöne Aufgabe gestellt. Ich habe wirklich eine ganze Weile gegrübelt, und sicher bin ich mir immer noch nicht. Aber ich versuch es aber trozdem.

Also erstmal möchte ich euch widersprechen. Ich bin der Meinung, dass das ein Hängewerk ist. Es ist zwar keine schwere Last die von unten aufgefangen werden muß, so wie bei schweren Kirchendächern oder ähnlichen, aber der Kräfteverlauf läßt in meinen Augen keine andere Schlußfolgerung zu. Für den Fall, daß die Sparrenpaare direkt gegenüberliegen würden, könnte man die hier angewandten Streben auch als Kehlbalken anordnen. Geht aber hier nicht wegen des Kaiserstiels. Durch die hohe Spannweite von 9 bis 11 Metern kann es passieren, daß die Sparren unter der Eigenlast und der Verkehrslast durchbiegen. Und da man ab einer freitragenden Länge von mehr als 4,50 Metern sich irgendetwas einfallen lassen muß werden zu absteiffenden Gründen die Streben angeordnet. Um eine ordnungsgemäße Kräfteableitung zu erhalten hat man diese wie Kopfbänder an die Hängesäule angeschloßen. Diese Streben werden also eindeutig auf Druck beansprucht.

Nun aber zum Kräfteverlauf. Werden die Sparren auf Biegung belastet, sei es durch ihre hohe Eigenlast oder durch Verkehrslasten wie Wind, Schnee oder Sonstige, werden diese hohe Kräfte durch die Streben aufgefangen. Sie werden auf Druck beansprucht. Aus diesem Grunde muß auf den Winkel der Streben zur Hängesäule geachtet werden. Also wie ein Kopfband 45 Grad. Die Druckkräfte aus den Streben werden dann durch entprechende Anschlüsse (Stirnzapfen) in die Hängesäule abgeleitet. Da diese Säule durch den Anschluß der Grate unverschieblich ist wird diese auf Zug beansprucht und ist nicht unbelastet! Die Zugkräfte werden dann auf die Sparren übertragen. Diese werden dann auf Druck beansprucht. Die Sparren leiten diese Druckkräfte dann in das Rähm ab.

Es ist also in meinen Augen eindeutig ein Hängewerk. Die auf die Dachhaut wirkenden Kräfte werden unten an der Hängesäule aufgefangen und abgehangen. Wenn das hier ein Sparrendach wäre, hätte man die Fußpunkte der Grate viel stabiler ausbilden müssen. Die Schubkräfte wären durch die große Spannweite so gewaltig, dass die ganze Konstruktion unter ihrem Eigengewicht zusammen brechen würde. Und wenn ihr meint, dass die Hängesäule unbelastet ist, was ist dann mit den Kräften, die von den Streben kommen? Und wozu sind dann die Streben überhaupt wenn nach eurer Schlußfolgerung die gesamten Kräfte über die Sparren abgeleitet werden? Dem ganzen widerspreche ich.

Nun zum 2. Teil eurer Frage. Würde man nach dem Richten einen Teil des Kaiserstiels herausschneiden, dann würden die Sparren unter Umständen einfach durchknicken, weil eine Biegekräfteableitung durch die Streben nicht mehr gegeben ist.

Einen Tag später schrieb Axel uns noch folgende Ergänzung:

Mir ist noch ein wenig was eingefallen. Ich bin mir jetzt eigentlich sehr sicher, dass das vorgestellte Problem ein Hängewerk sein muß. Euer Beispiel mit dem Regenschirm ist völlig fehl am Platz. Dieser Vergleich ist so dermaßen weit hergeholt, dass er schon richtig hinkt. Oder einfach ausgedrückt, ist dieser Vergleich einfach nur falsch.

Bei dem Detailbild zur Hängesäule steht geschrieben, dass, wenn man auf die Spitze drückt, die Streben vom Regenschirm und vom Dach Zugkräften ausgestzt sind. Mag ja sein, aber in Betrachtung der realen Belastung des Daches ist das reiner Quatsch. Die Spitze der Hängesäule hat eine Fläche von wenigen Quadratcentimetern wogegen die restliche Mantelfläche des Daches ja wohl viele Quadratmmeter beträgt. Wenn also richtig Schnee auf dem Dach liegt, dann kann mir kein Statiker erzählen, dass dann die Hängesäule durch den auf der Spitze liegenden Schnee belastet wird. Die Sparren werden durchgebogen weil hier die Hauptbelastung durch Verkehrslasten besteht. Können ja die Statikerherren den Regenschirm ja auch mal so belasten, wie es wirklich der Fall ist. Wenn ich nämlich auf die Mantelfläche drücken würde, dann geht der Ring des Schirms nach unten. Die Streben sind auf Druck belastet. Wenn man jetzt den Ring festschweißen würde, was den Anschluß durch die Stirnzapfen an der Hängesäule symbolisiert, dann würde der Stiel des Schirms ebenfalls auf Zug belastet. In dem Fall kann das Beispiel mit dem Schirm verwand werden.

Noch etwas. Wenn die Streben in den Augen der Statiker wirklich auf Zug belastet werden, was ist dann mit den Verbindungsstellen? Seit wann ist ein Stirnzapfen eine zugfeste Verbindung? Soll der Holznagel etwa diese Kräfte halten? Zugfeste Verbindungen sehen ja wohl anders aus. Da könnte man Schwalbenschwanzblätter, Hakenblätter oder ähnliches verwenden.

III. Antwort von Stefan Märker.

Moin Axel,
Du hast schon recht, wenn Du schreibst, daß die Kräfte, die auf ein Dach einwirken aus unter anderem aus der Schnee- und Windlast der Flächen resultieren und diese Kräfte zu einer Durchbiegung der Sparren führen wollen. Nichtsdestotrotz ist es doch aber so, dass wenn zwei Mann ein Holz tragen (jeweils am Ende) dann müssen doch beide Leute was tragen. Und zwar jeder die Hälfte der Last. Dabei ist es doch echt völlig egal, ob sie ein durchgebogenes Holz (weil zu lang) oder ein schnurgerades Holz schleppen. Schleppen müssen sie auf jeden Fall. Deshalb unterscheidet man doch auch das Biegemoment mit der zulässigen Durchbiegung und die Auflagerreaktion auf den Schultern der Männer!

Von daher bin ich mir fast sicher (soweit daß mein beschränkter, nicht studierter Fachverstand das zuläßt), daß an der Spitze diese Bauwerks doch eine erhebliche Kraft wirkt. Leider weiß man bei diesem Beispiel hier nicht so genau, wie der Fußpunkt ausgeführt ist. Ich behaupte aber, daß es sich hier um ein Sparrendach handelt (für die Elitären: Sprengwerk) und weiter behaupte ich, daß ein Statiker, wenn er dieses Bauwerk nach heutigen Richtlinien untersucht und einstuft, zu dem Schluß kommen muß: »Das Bauwerk gibt es nicht, weil, das kann nicht halten.« Da bin ich mal auf die Expertise gespannt (wobei ich wenig Hoffnung hab, die lesen und verstehen zu können).

Also: Sparrendach, wenn man die Kopfbänder und den Stiel in der Mitte durchschneidet, passiert nix (theoretisch). Aber meine Grundsätzliche, unwissenschaftliche Meinung ist: Das Ding hält aus Gewohnheit!

fixe Grüße
Stefan

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